Geschichtliches

Der Bau der Bunkeranlage in der Kreuzstraße ist eng verbunden mit dem Formsandabbau durch die ehemaligen Formsandwerke Würmell.
Die beginnende Industrialisierung im 19. Jahrhundert führte dazu, dass Eisen und Stahl durch neue Technologien nicht nur geschmiedet, sondern auch direkt durch Gießen in die gewünschte Geometrie geformt wurden.
Die mehr und mehr aufkommenden Gießereien benötigten dazu einen speziellen Sand, der formstabil und thermisch belastbar war.
Dazu eignete sich der in unserem Bereich vorkommende rote Sand, der vor ca. 250 Mio. Jahren als Ablagerung von Wasser- und Windbewegungen aus westlicher Richtung hier entstand.
Da dieser Sand nach einmaligem Abgießen ausgebrannt war und die Gießereitechnik sich immer mehr durchsetzte, ergab sich ein schnell wachsender Bedarf für diesen Sand, der seit ungefähr Mitte des letzten Jahrhunderts durch wieder aufbereitbaren „synthetischen“ Sand ersetzt wurde und heute praktisch nicht mehr gebraucht wird.

Wilhelm Würmell, ehemaliger Prokurist der Eisenhandelsgesellschaft Gebrüder Röchling in Ludwigshafen, gründete am 29.07. 1919 die Formsandwerke Würmell, kaufte dazu den rechts der Kreuzstraße liegenden Wingertshübel auf und vermarktete den hier liegenden Formsand, indem er den Berg in südlicher Richtung hin abgrub. Der Sand wurde mit einer Seilbahn über das Dorf an den Bahnhof befördert, dort in Waggons gekippt und verschickt.

Das Baugebiet im unteren Bereich rechts der Kreuzstraße steht also − wie auch die Bunkereingänge − in einer ehemaligen Sandgrube; der Wingertshübel erstreckte sich ursprünglich bis zur Kaiserstraße.

Nachdem in den dreißiger Jahren dann Hitler an die Macht kam, wurde der Westwallausbau forciert. Aufgrund der Erfahrungen des ersten Weltkrieges ging man davon aus, dass der geplante Feldzug gegen Frankreich sich längere Zeit hinziehen würde. Dazu suchte die Deutsche Wehrmacht nach einer geeigneten, verkehrstechnisch günstig gelegenen und sicheren Stelle für einen Gefechtsstand im möglichen, rückwärtigen Kampfgebiet gegen Frankreich.
Die dafür verantwortliche Festungskommandantur Saarpfalz entschied sich letztendlich für Kindsbach und den Wingertshübel. Verkehrstechnisch günstig in der Nähe der Bahnlinie gelegen, bot der bereits durch die Formsandgrube angeschnittene Berg mit seinem „zähen“ Formsand ideale Voraussetzungen für einen unterirdischen Befehlsstand.
Die Planung der Anlage erfolgte von 1936 bis 1938, von 1938 bis März 1940 baute die Firma Berger (Berlin) die Anlage. Baukosten: 1,2 Mio. Reichsmark.

Da die Formsandgrube jetzt am Wingertshübel nicht mehr weiter betrieben werden konnte, gleichzeitig aber durch die Aufrüstung für den bevorstehenden Weltkrieg dringend Formsand gebraucht wurde, durften die Formsandwerke Würmell „einen Berg weiter“, nämlich am Kindsberg, mit einem entsprechenden Pachtvertrag weiterhin Sand abbauen. Als der Bedarf an Naturformsand in der Gießereiindustrie Mitte des letzten Jahrhunderts praktisch auf Null zurückging, wurde der Betrieb der Formsandwerke Würmell 1976 gänzlich eingestellt und die Sandgrube zum Naturdenkmal erklärt. Sie wird wohl noch viele Jahrzehnte mit ihrer roten Wand sichtbar sein.

Zurück zum Bunker im Wingertshübel.

Der vorliegende geheime Bauplan des „Korps-Gefechtsstand Kindsbach“ von 1941 Zeigt die Anlage mit den 3 Stollen, Haupteingang (mit Eingangsverteidigungsbereich und Wachraum) war der heutige Eingang 1, es gab 4 große Abortanlagen, im ersten Stollen links einen Kokskeller und ein Akku-Raum, wo heute ein Notstromgenerator steht.

Nachdem der Frankreichfeldzug von Hitler nicht am Westwall entschieden wurde und die deutsche Wehrmacht schon einige Wochen nach Kriegsbeginn mit Frankreich in Paris stand, wurde der Bunker zu Beginn des Zweiten Weltkrieges als Kommandozentrale weniger benötigt; man benutzte ihn daher u.a. als Lagerstätte für Luftabwehrmunition.

Das änderte sich, nachdem die Alliierten in Frankreich landeten und immer näher kamen.
1944 zogen Teile des Oberkommando West in den Bunker ein, u.a. zwei Generäle, wovon einer im Pfarrheim, der andere im Schlösschen (Hörnchenstraße, letztes Haus links) wohnten.
Gleichzeitig wurde ein Teil des Bunkers (im Bereich Ausgang 4) als Zivilschutzbunker für die Bevölkerung freigegeben, da zu diesem Zeitpunkt bereits regelmäßige Bombenangriffe auf Kindsbach (auch in Verbindung mit dem Stellwerk Einsiedlerhof) stattfanden.

Als die Alliierten dann Anfang 1945 immer näher kamen, wurde die Bunkeranlage von der Wehrmacht aufgegeben. Mit deutscher Gründlichkeit wurden dabei alle Dokumente vor Ort vernichtet, damit sie nicht dem Feind in die Hände fielen.

Im März 1945 rückten dann die Panzereinheiten von General Patton von Nordwesten kommend über Landstuhl nach Kindsbach vor. Am 19 März wurde Landstuhl besetz, am Abend des 19. März Kindsbach. Ein Zeitzeuge, der Friseur Robert Fitz, schilderte dem Verfasser beim Haareschneiden dies so, dass die Kindsbacher weiße Fahnen gehisst hatten, der erste Panzer aber vorsichtshalber trotzdem einmal in den Ort schoss und das Geschoss durch das Wohnzimmer des Friseurs schlug.

Was die Amerikaner mit dem Bunker machten, ist nicht bekannt, sicherlich wurde er inspiziert. Da diese amerikanische Einheit aber den Auftrag hatte, schnellst möglichst bis zum Rhein vorzustoßen, beschäftigte man sich nicht lange damit.

Die den ersten Kampfeinheiten nachrückenden eigentlichen Besatzungstruppen waren Franzosen.
Diese nahmen die Bunkeranlage dann später offiziell in Besitz und planten sie zu sprengen.
Dadurch wäre wohl der gesamte Wingertshübel in die Luft geflogen, was nicht ohne Schäden an den angrenzenden Häusern (Steigstraße) ausgegangen wäre. Weiterhin kam ein Teil der Wasserversorgung von Kindsbach aus einem Tiefbrunnen innerhalb der Bunkeranlage (der heute noch funktioniert). Grund genug für die Gemeinde Kindsbach, sich vehement gegen die Sprengung einzusetzen.
Es wird berichtet, dass der damalige Bürgermeister Karl Mathieu gute Beziehungen zu den Franzosen hatte, er sprach fließend Französisch und trank mit dem für Kindsbach zuständigen Kommandanten öfter mal ein Glas Rotwein. Er konnte so die Sprengung offensichtlich zumindest hinauszögern, bis die Amerikaner mit Beginn des kalten Krieges wieder Interesse an dem Bunker zeigten.

Nachdem direkt nach dem Krieg die Franzosen und später die Amerikaner den bei Ramstein endenden, 1941 nicht weitergebauten Abschnitt der Reichsautobahn Richtung Saarbrücken als Start- und Landebahn benutzten, bildete sich daraus alsbald ein Luftwaffenstützpunkt der Amerikaner , der Flughafen Ramstein.

Anmerkung: Die Autobahn wurde dann Anfang der sechziger Jahre um den Flughafen herum nach Saarbrücken gebaut. Für die dafür notwendigen Aufschüttungen wurde der Galgenhübel so weit abgetragen, dass dadurch der Silbersee entstand.

Für den aufstrebenden und im Kalten Krieg immer wichtigeren Flughafen Ramstein suchten die Amerikaner einen geschützten, bombensicheren Gefechtsstand und dafür bot sich jetzt der Bunker an.

Sie übernahmen 1951 den Bunker von den Franzosen, die zum Glück noch nicht gesprengt hatten, bauten ihn intensiv aus, u. A. mit

  • Splitterschutzvorbauten an den Eingängen 1-3
  • einem zusätzlichen 3- stöckigen Kommandozentrale (Z- Bereich)
  • neue Heiz- und Klimaanlage
  • zwei großen Generatorstationen
  • diversen Umgestaltungen von Büroräumen

und nahmen ihn offiziell am 15.05.1954 als Überwachungs- und Steuerzentrale (Combat Operation Center/ COC) mit einer Besatzung von ca. 125 Soldaten in Betrieb.

Anfang der sechziger Jahre erfolgte eine weitere Vergrößerung durch zwei bombensichere Stahlbetonvorbauten, welche mit Erde überdeckt und getarnt wurden (D-Area, Baukosten: 3,8 Mio. DM).
Gleichzeitig wurde ein computergestütztes Luftüberwachungssystem (AWCS 412L) eingeführt, das über digitale Datentechnik mit 1500Bits/sec (und das in den sechziger Jahren!) in der Lage war, bis weit (1600km) in den Osten hinein alle Flugbewegungen auf einem großen Bildschirm live zu projizieren. Damit konnten gegnerische Flugzeuge sehr frühzeitig erkannt und die eigene Luftverteidigung gezielt eingesetzt werden.

1965 wurde über das Bunkergelände, das bis dato nur militärisch requiriert wurde, mit dem Eigentümer (Fam. Würmell) ein Erbbaurechtsvertrag geschlossen.

In den siebziger Jahren wurde die Anlage von der NATO mit rund 200 Personen betrieben, darunter auch viele deutsche Soldaten und auch einige, die hier geheiratet hatten und heute noch in Kindsbach leben.
Als SOC 3 (Sector Operation Center), zentrales Air Space Coordination Center (ACC) und Headquarter US Airforce Europa (USAFE), war die Anlage in dieser Zeit eine der wichtigsten NATO-Luftverteidigungseinrichtungen in Europa.
In den achtziger Jahren wurden Teile der Anlage mehr und mehr in den Bunker Ruppertsweiler verlagert; nur bei größeren Manövern (WINTEX, REFORGER) wurde die Anlage voll genutzt.
Im Jahr 1984 begann die Stilllegung − die Anlage war zu klein geworden, die Erweiterungs- und Renovierungskosten für eine Weiternutzung zu hoch gewesen.

Nachdem die Anlage nach Ende des Kalten Krieges größtenteils nur noch mit zwei Hausmeistern und einigen Reinemachefrauen besetzt war, wurde 1993 der Erbpachtvertrag gekündigt und damit das Gelände und der darin enthaltene Bunker an den ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben.

Bis dato (2022) ist, neben den Spuren der Zeit und einigen Zerstörungen durch sinnlose Einbrüche in der Bunkeranlage, alles noch mehr oder weniger so, wie es 1993 übergeben wurde.

Im Außenbereich vor dem Bunker wurde Ende der neunziger Jahre eine neue Straße („Am Wingertshübel“) mit Reihenhäusern gebaut, die derzeit größtenteils an NATO-Militärangehörige vermietet sind.

Technische Details

Die Anlage hat ca. 3500qm Grundfläche, sie besteht größtenteils aus 3 Stollen (A, B, C) mit ca. 5m Breite, 4m Höhe und 140m Länge. Zwischen Stollen B und C befindet sich ein 3-stöckiger Bereich (Z1-Z3), Heizungs- und Klimaanlage (rechts außen zwischen A und B) sind 2-stöckig. Im D-Bereich (bombensicherer Vorbau) ist der linke Bereich 3-stöckig, der Rest einstöckig.
Stollen A und C bestehen größtenteils aus einem Durchgang mit seitlich angeordneten Büroräumen, Stollen C besteht aus größeren Büroräumen, die nur über die Querstollen zu erreichen sind.

Die durch die Bebauung vor dem Bunker ca.3m untererdig liegenden Haupteingänge sind wegen klimatischer Probleme und aus Gründen des Einbruchschutzes inzwischen zugemauert, der ehemalige Notausgang 4 ist noch begehbar.

Texte und Bilder wurden freundlicherweise von Wolfgang Würmell bereitgestellt.

Die Besichtigung des ehemaligen NATO-Bunkers ist nur im Rahmen einer Führung möglich. Nicht geeignet ist die Besichtigung für Kleinkinder, Schimmelallergiker und Personen mit Klaustrophobie. Bei Interesse bitte den Veranstalter bzw. den Eigentümer kontaktieren:

Wolfgang Würmell

Mindestteilnehmerzahl:

  • 10 Personen
  • Preis: 10€ / Person

Es sind zudem auch Eigenerkundungen der Anlage mit Taschenlampe ab 3 Personen nach Absprache möglich.

Noch mehr geschichtlichen Hintergrund und Bilder gibt es auf www.geschichtsspuren.de.

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